Antifragilität und Innovation

Wie das Verstehen von Megatrends uns hilft, zu aktiven Gestaltern in der Krise zu werden

Nicht alle Unternehmen sind gleichermaßen betroffen von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. Sind wir doch nicht so machtlos, wie es oft scheint? Am Grad der Digitalisierung und Innovationsfähigkeit lässt sich ablesen, wie gut Unternehmen durch die Krise kommen. Auch die starken Trends der Re-Lokalisierung und Neo-Ökologie wirken sich aus. Wäre eine nachhaltigere Unternehmensstrategie besser auf die Krise eingestellt gewesen? Was können wir heute ganz konkret aus der Pandemie lernen? Eine Reflektion der ersten Welle.

Covid-19, die unaufhaltsame Naturgewalt? Nicht unbedingt!

Die aktuelle wirtschaftliche Krise scheint nicht alle Unternehmen gleichermaßen zu treffen. Auch aus den besonders gebeutelten Branchen gibt es immer wieder Einzelne, die es geschafft haben, sich an die Krise anzupassen. Man denke da nur an Fynn Kliemann, der sein Fashionlabel kurzfristig in den größten europäischen Produzenten für Mund-Nase-Masken umgewandelt hat. Oder Industrieunternehmen vom Heizungs- bis zum Autobauer, die ihre Werke für die Produktion von Beatmungsgeräten nutzbar machten – und so Arbeitsplätze erhalten konnten.

Diese Beispiele machen Mut. Sie zeigen, wie Unternehmen ihren (wirtschaftlichen) Herausforderungen kreativ begegnen.


Innovationsfähigkeit scheint ein wichtiger Schlüssel zu sein, um Unternehmen von Verlierern zu Gewinnern der Krise zu entwickeln.

Tim J. Peters Schumacher - Brand + Interaction Design

Ist die Digitalisierung der Schlüssel für Krisengewinner?

Als weiterer Trend lässt sich zeigen, dass Unternehmen die auf Digitalisierung setzten, besser durch die Krise gekommen sind. Während Restaurants schließen mussten, boomten Online-Lieferservices. Während der stationäre Handel nahezu lahm lag, fuhr Amazon Rekordumsätze ein. Unternehmen, die bereits in einen digitalen Teilbereich investiert hatten, konnten sich schneller anpassen und diese Bereiche ausbauen. Schwerer hatten und haben es dagegen Unternehmen, die sich im Digitalen erst neu erfinden mussten. Auch Unternehmen die digitale Kanäle allein für die Pflege von Kundenbeziehungen genutzt hatten, verloren diesen wichtigen Draht in der Krise nicht. Ganz zu schweigen von denjenigen Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle gänzlich über digitale Produkte oder Dienstleistung abbilden. Sie unterlagen einer deutlich geringeren Abhängigkeit von globalen Lieferketten – und damit deutlich geringeren direkten Auswirkungen durch die Krise.

Die Krise als Verstärker von Megatrends

Dass Digitalisierung ein Thema ist, mit dem sich Unternehmen beschäftigen müssen, ist natürlich keineswegs neu. Vielmehr führt die Digitalisierung die Trendreports der letzten Jahre an. Auch stellen Zukunftsforscher wie Matthias Horx fest, dass Digitalisierung nicht der einzige Megatrend ist, der durch die Krise an Bedeutung gewonnen hat:

3 Trends für die Zukunft

  • Re-Lokalisierung

  • Insbesondere Unternehmen in starker Abhängigkeit zu globalen Right-On-Time-Lieferketten hat die Krise hart getroffen. Vertrauen und persönliche Kontakte mit Lieferanten und Kunden wiederum konnten mancherorts Härten abfedern. Werden sich Unternehmen nach der Krise hieran erinnern? Werden Wirtschaftsprozesse wieder transparenter und lokaler? Der passende Trend lautet Re-Lokalisierung.

  • Neo-Ökologie und Sicherheit

  • Auch das Bewusstsein von Sicherheit vieler Menschen dürfte durch die globale Krise erschüttert worden sein. Schien unsere hochtechnologisierte Gesellschaft oft unverwundbar, so wurde Menschen und Unternehmen ihre Verletzlichkeit nun schmerzlich vor Augen geführt. Wird uns dieses Bewusstsein auch im Umgang mit anderen Krisen wie dem Klimawandel beeinflussen? In jedem Falle stützt diese veränderte Sicht einen Mega-Trend, der schon länger existiert: den der Neo-Ökologie.
     
  • Konnektivität und New Work

  • Dass so viele Menschen über Wochen – gute wie schlechte – Erfahrungen mit Homeoffice und digitalen Meetings sammeln konnten, wird Folgen haben. Nachdem sich gezeigt hat, was remote möglich ist, werden einige sich vielleicht fragen, ob es sich wirklich lohnt für ein Meeting von Berlin nach München zu fliegen – oder ob es nicht doch auch eine Videokonferenz tut. Homeoffice-Lösungen und flexible Arbeitszeiten sind plötzlich nicht mehr Luxus der digitalen Avantgarde. Sie werden vielmehr zum neuen Standard und haben das Potenzial, unsere Arbeitskultur fundamental zu revolutionieren. Auch die Trends hierzu sind neu seit mindestens 2010. Sie heißen Konnektivität und New Work.
  • Wir hätten uns also vielleicht nicht unbedingt auf die Krise einstellen können – dafür hätten wir sie voraussehen müssen. Die Mittel, die Unternehmen in der Krise geholfen haben, waren aber keineswegs neu. Vielmehr zeigt uns die Krise, dass ein Blick auf aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen helfen kann, in und nach einer solchen Extremsituation besser zu bestehen.

Was können wir lernen?

Der natürliche Impuls nach einer solchen Krise ist, sich gegen kommende Krisen zu schützen. Robust oder sogar resilient zu werden. Nach unserer Betrachtung scheint dies der Weg dahin vor allem in mehr Veränderungsfähigkeit zu liegen. Schließlich waren es nicht die Unternehmen, die besonders stabil waren, die besser durch die Krise gekommen sind, sondern solche, die an schnelle Veränderungen bereits gewöhnt waren.

Der Finanzmathematiker und philosophische Essayist Nassim Taleb hat für Systeme, die nicht nur robust gegen Krisen sind, sondern durch sie sogar wachsen können, den Begriff der »Antifragilität« geprägt. Gemeint sind Systeme, die in Krisen nicht nur keinen Schaden nehmen, sondern sich durch sie verändern und stärker werden.

Antifragilität für Unternehmen

Unternehmen müssen einen Weg finden, äußerer Veränderung stetig selbst flexibel zu begegnen. Eine solche erlernte und neuausgerichete Strategie hilft bei den kommenden Krisen genauso wie bei alltäglichen Herausforderungen.

Es ist kein Zufall, dass neben Unternehmen, die sich schnell umstellen konnten, vor allem digitale Unternehmen vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind. Vielmehr waren es oft junge, wandlungsfähige Unternehmen, die den Megatrend der Digitalisierung bereits erkannt und Maßnahmen umgesetzt hatten.

Unternehmen die ihre Innovationsfähigkeit stärken, können besser früh auf Trends reagieren. Dies ist ein wichtiger Resilienzfaktor in großen wie in kleinen Krisen – aber eben auch ein Faktor für Antifragilität außerhalb von Krisen. So hilft das ständige Hinterfragen der eigenen Dienstleistungen, des Geschäftsmodells oder Produkts, Mitbewerbern zuvorzukommen und somit im Wettbewerb zeitlich voraus und damit besser gewappnet zu sein. 

Auf das richtige Mindset kommt es an

Ein innovationsorientiertes Mindset muss dabei nicht unbedingt funktionierende Prozesse im Unternehmen bedrohen oder grundsätzlich in Frage stellen. Viel mehr kann Innovation als Ergänzung und Inspiration in alle Bereiche eines Unternehmens ausstrahlen. Innovationsfähigkeit ist also keineswegs etwas, das Unternehmen haben oder eben nicht haben. Kreativität in Bezug auf Geschäftsprozesse, Produkte und ganze Unternehmen lässt sich erlernen und zusätzlich zum Tagesgeschäft verfolgen. Sie ist Methodik, Wissen, Übung und Erfahrung.

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